Nahezu die Hälfte (46 %) der Patienten mit leichten bis mittelschweren Beschwerden des unteren Harntrakts (LUTS)*, die zunächst mit Phytopharmaka (meist Sabal-Mono- oder Kombinations-Präparate mit Sabal und Urtica) behandelt wurden, benötigten nach zehn Jahren entweder keine Therapie oder wendeten weiterhin pflanzliche Arzneimittel gegen die LUTS-Beschwerden an. 51 % der Patienten wechselten nach einer mittleren Zeitspanne von zwei Jahren wegen zunehmender Beschwerden und progredientem Krankheitsverlauf auf synthetische BPS-Präparate (α-Blocker, 5α-Reduktasehemmer). Die Therapieumstellung erfolgte vorrangig bei älteren BPS-Patienten (60 vs. 49 Jahre) mit größerem Prostatavolumen (40 vs. 26 ccm) und Restharnvolumen (40 vs. 0 ccm), geringerem maximalen Harnsekundenvolumen (12 vs. 15 ml/s) und höherem PSA-Wert (1,9 vs. 0,9 ng/ml).
In die retrospektive Auswertung flossen die Daten von 102 LUTS-Patienten, die von Januar bis Dezember 2010 in den urologischen Abteilungen zweier Kliniken in Trient und Mailand mit Phytopharmaka behandelt wurden, ein. Ausgeschlossen waren Patienten mit rezidivierenden Harnwegsinfekten oder urologischen Eingriffen im Vorfeld. Alle in der Analyse erfassten Patienten wurden über zehn Jahre in mindestens 6-monatigen Intervallen, meist durch Arztbesuche und während der COVID-19-Pandemie zum Teil durch telefonische oder Email-Kontaktaufnahme, nachverfolgt.
Die Autoren sehen trotz der Limitationen im gewählten Studiendesign gute Hinweise für die Eignung pflanzlicher BPS-Präparaten als Therapieeinstieg bei LUTS-Beschwerden. Sie weisen auf die Notwendigkeit der Aufklärung über die genannten Risiken eines progredienten Krankheitsverlaufs im Arzt-Patienten-Gespräch hin.
*Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS)